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AUFGESPIESST: Kampf um die Heimchenprämie

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Gäbe es den Straftatbestand der politischen Untreue, dann stünde die Bundesregierung mit einem Bein im Knast. Warum? Weil das von CSU-Hinterweltlern ausgeheckte Betreuungsgeld ein mindestens so dreister Griff in die Staatskasse ist wie die von der FDP geschenkte Hotelsteuer zu Beginn der Koalition. Das dämmert mittlerweile selbst vielen in der CDU. Und in der FDP halten sich einige Rebellen für besonders pfiffig, weil sie verfassungsrechtliche Bedenken vorbringen. So druckst die Koalition herum, während Merkels Sprecher Seibert in der Bundespressekonferenz patzig den großen Murks verteidigt. Seine Argumentation erinnert an die Starrhalsigkeit der SED-Genossen während der Abenddämmerung der DDR: Das wurde beschlossen, das wird so gemacht. Egal wie sinnfrei die Entscheidung ist. Weiter so!

Nein, man braucht kein paragraphenreitender Verfassungsmuckel zu sein, um das Betreuungsgeld in die Tonne zu treten. Warum sollte der Staat Geld dafür bezahlen, wenn eine Mutter ihr Kind nicht in die Kita gibt, sondern zu Hause erzieht? Die konservativen 50er-Jahre-Früher-war-alles-in-Ordnung-Fetischisten sagen, das Betreuungsgeld beende die Diskriminierung der Hausfrau und Mutter. Diskriminierung? Niemand zwingt Kinder in die Kita. Jeder kann sein Kind erziehen, wo er will. Aber warum sollte der Staat für die pädagogischen Stubenhocker eine Prämie zahlen? Von Erziehungswissenschaftlern und Verbänden, die warnen, dass gerade die zu Hause bleiben werden, die aufgrund von Sprachproblemen und fehlender Zuwendung am meisten von früher Förderung profitieren würden, lassen sich die ideologischen Familienfundamentalisten jedenfalls nicht beirren. Dass der Fehlanreiz durch Plünderung der leeren Kassen sogar dazu führt, dass noch weniger Geld für Kitas da ist, ist der perfide eingeplante Begleiteffekt.

So versuchen ein paar bayerische Querulanten dem Rad einer modernen Gesellschaft, in der Mami und Papi arbeiten gehen können, Stöckchen zwischen die Speichen zu schmeißen. Das Betreuungsgeld ist in Wahrheit ein erbitterter Kulturkampf. Zucker für den ewiggestrigen Affen. Demnächst werden sie noch eine Prämie für alle fordern, die nicht schwul sind oder in wilder Ehe leben.

Das Betreuungsgeld ist zugleich Seismograph für den Zustand der Koalition. Wer noch ein wenig Grips, Anstand und Gewissen hat, wird sich gegen den Unfug stemmen, auch wenn die Mundwinkel von Angela Merkel dann noch grimmiger nach unten zeigen werden. Wer vom System Merkel schon so stromlinienförmig gespült wurde, dass er für alles die Hand hebt, wird auch den Heimchen-Quatsch durchwinken. Spannend ist, ob die Wähler aus ihrem Tran erwachen oder schon so eingelullert sind, dass die CDU beim nächsten Politbarometer sogar noch einige Pünktchen drauflegen kann. Wenn selbst politischer Mundraub keine Folgen mehr hat, ist demokratisch gesehen Hopfen und Malz verloren.

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